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Ausstellung "Böhmen liegt nicht am Meer" - Prag

Veröffentlicht am 29.06.2024 in Allgemein

"Krieg, Flucht und Vertreibung dürfen keinen Platz mehr in Europa haben"

Ausstellungseröffnung „Böhmen liegt nicht am Meer“ in der Bayerischen Repräsentanz in Prag

Die Repräsentanz des Freistaats Bayern in der Tschechischen Republik, die Seliger- Gemeinde und die Friedrich-Ebert-Stiftung Prag luden am Abend des 24. Juni 2024 zur Vernissage ins historische Palais (ehemals „Zur goldenen Melone“) in der Michalská 12 mitten im Zentrum der Prager Altstadt ein. Die zweisprachige Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer – Lebenswege sudetendeutscher Sozialdemokraten“ beschreibt eine spannende Reise durch die Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokraten bis hin zur heutigen Seliger-Gemeinde. Die Wanderausstellung kann noch bis 21. August in der Galerie des Palais Chotek besichtigt werden.

Zur Eröffnung in den prächtigen Räumen der Repräsentanz begrüßte Martin Kastler, der im April 2024 zum Leiter der Bayerischen Repräsentanz des Freistaates Bayern in der Tschechischen Republik ernannt wurde, unter den rund 80 namhaften Gästen u.a. den ehem. Premier und EU-Kommissar Vladimír Špidla sowie die Bundesvorsitzende der Seliger-Gemeinde Christa Naaß. Sein weiterer Gruß galt Jörg Bergstermann, dem Leiter der Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Tschechischen und Slowakischen Republik sowie Dr. Thomas Oellermann, der auch einer der Ausstellungsmacher ist.

Martin Kastler zeigte sich sehr erfreut, dass die Ausstellung, deren Grundlage die Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten insbesondere vor und nach der Vertreibung aus der damaligen Tschechoslowakei sowie der Aktivitäten der Seliger-Gemeinde ist, in der Bayerischen Repräsentanz gezeigt werden kann.

In ihrer Rede ging die Bundesvorsitzende Christa Naaß auf die Geschichte der Seliger-Gemeinde ein. Diese verstehe sich bis heute als Nachfolgeorganisation der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der 1. Tschechoslowakischen Republik (DSAP), die aus der altösterreichischen Arbeiterbewegung hervorgegangen ist, deren 1. Vorsitzender Josef Seliger war und der Treuegemeinschaft der sudetendeutschen Sozialdemokrat*innen im Exil. Die DSAP kämpfte nicht nur für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen und das Miteinander verschiedener Nationen, sondern auch bis zuletzt gegen das Dritte Reich und den Erhalt der Tschechoslowakei, so Christa Naaß.

Weiter erinnerte die Bundesvorsitzende daran, dass die vertriebenen sudetendeutschen Sozialdemokraten sich sofort in die wieder entstandene SPD vor allem in Bayern eingliederten. „Durch sie wurde eine große Zahl von SPD-Ortsvereinen gegründet, die es vorher gar nicht gab. Mit der Gründung der Seliger-Gemeinde 1951 schufen sich die sudetendeutschen Sozialdemokraten wieder eine eigene Gesinnungsgemeinschaft in Deutschland“, so Naaß.

Erinnern für die Zukunft

Dieses Erinnern an die Geschichte, das Wissen um die Zusammenhänge sei deshalb so wichtig, um als Gesellschaft, als Politik die richtigen Schlüsse für die Problemstellungen der Gegenwart und für die Zukunft zu ziehen, führte Naaß weiter aus und erklärte, dass die Ausstellung „Böhmen liegt nicht am Meer“ Teil dieser Erinnerungskultur sei. Besonders erinnern wollte Christa Naaß an die beiden noch lebenden Zeitzeugen, die in der Ausstellung vorgestellt werden: „Die Ehrenvorsitzende der Seliger-Gemeinde, die aus Altrohlau stammende Olga Sippl, die sich mit ihren fast 104 Jahren immer noch sehr deutlich und stark mahnend einmischt mit der Aufforderung: ´Nicht spurlos aus der Geschichte verschwinden´“, so Naaß. Und auch Leo Zahel, der zusammen mit seiner Mutter aus Brünn getrieben und so zum Zeitzeugen des Brünner Todesmarsches Richtung österreichischer Grenze wurde, weil er diesen zum Glück überlebt hat. Deshalb sei es für die Seliger-Gemeinde selbstverständlich, dass sie am jährlich stattfindenden Brünner Versöhnungsmarsch – wie am vergangenen Wochenende geschehen - teilnehme. Und genauso selbstverständlich sei es, dass dabei auch der tschechischen Studenten im Kaunitz-Collegium gedacht werde, die durch Massenerschießungen durch die Gestapo ums Leben kamen bzw. in Konzentrationslager verschleppt wurden.

„Mit Blick und auch mit Respekt auf die Lebenswege dieser Persönlichkeiten rufe ich auf: Krieg, Flucht und Vertreibung dürfen keinen Platz mehr in Europa haben“, so Christa Naaß, die mit einem Zitat von Volkmar Gabert, auch einer der Persönlichkeiten, die in der Ausstellung  präsentiert wird, endete: „In der ganzen Welt gibt es ein Auf und Ab zwischen Freiheit und Unterdrückung. Es ist unsere Aufgabe, alles zu tun, die Kräfte der Freiheit zu unterstützen - Sehen auch wir dies als unsere gemeinsame Aufgabe an!“

Stets auf der Seite der Demokratie und des sozialen Fortschritts

Der ehemalige Premier und EU-Kommissar Vladimir Špidla erinnerte in seinem Beitrag an die gemeinsame Geschichte von Deutschen, Sudetendeutschen und Tschechen mitten in Europa und deren Schicksal. „Dieselbe Geschichte hat die Nazis und die Sozialdemokraten hervorgebracht, dieselbe Geschichte hat große Persönlichkeiten wie Tomas Garrigue Masaryk oder Wenzel Jaksch hervorgebracht, und dieselbe Geschichte hat die dunkelsten Persönlichkeiten hervorgebracht, deren Namen an dieser Stelle nicht einmal erwähnt werden sollen“, so Špidla. Er führte weiter aus, dass die sudetendeutschen Sozialdemokraten an vielen schicksalhaften Scheidewegen: Der Erste Weltkrieg erschütterte jahrhundertealte mitteleuropäische Verhältnisse, zerschlug die alten Staatssysteme und schuf eine komplizierte, instabile Situation. Die sudetendeutschen Sozialdemokraten mussten sich neben den klassischen Fragen der Bewegung, die weitaus drängender wurden, auch mit der Frage ihres Verhältnisses zum neu entstehenden tschechoslowakischen Staat auseinandersetzen. Es sei bewundernswert, so Špidla, dass es ihnen stets gelang, sich auf die Seite der Demokratie und des sozialen Fortschritts zu stellen. Das erforderte in jenen Tagen außerordentliche Weitsicht und außerordentlichen Mut. Die Krise Ende der 1930er Jahre habe sie auf die härteste Probe gestellt. Auch hier hatten sie standgehalten.

Die Deportation nach dem Zweiten Weltkrieg traf auch die sudetendeutschen Sozialdemokraten mit unbarmherziger Brutalität, so Špidla zu einem weiteren Scheidepunkt in der Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokratie: Es sei bezeichnend, dass es ihnen trotz aller Ungerechtigkeiten, trotz der verständlichen Verbitterung gelang, ihren Idealen treu zu bleiben und mitzuhelfen, eine Grundlage für eine zukünftige Regelung unter den neuen Bedingungen zu schaffen. Vladimir Špidla erklärte zum Schluss seiner Ausführungen: „Die Spuren der sudetendeutschen Sozialdemokraten finden sich in der Formulierung der deutsch-tschechischen Erklärung sowie in Tausenden von konkreten Aktionen, die zur Versöhnung und Zusammenarbeit zwischen der Tschechischen Republik und Deutschland führten. Es ist kein Zufall, dass dies ein außerordentliches Maß an Arbeit und großer Entschlossenheit sowohl auf tschechischer als auch auf deutscher Seite erfordert hat: Die Wunden der Geschichte waren zu tief und die Vorurteile zu zahlreich. Deshalb ist die Geschichte der sudetendeutschen Sozialdemokraten, die Geschichte einer Gemeinschaft, die überdauert hat, so wichtig. Das war nicht einfach. Sie verdient unseren Respekt“.

Geschichte ist von großer Bedeutung für die bayrisch-tschechischen Beziehungen

Thomas Oellermann beschrieb anschließend die Schnittmengen für die Friedrich-Ebert-Stiftung bei diesem Ausstellungsprojekt. „Es ist nicht allein die Tatsache, dass wir uns mit Geschichte und Gegenwart sozialdemokratischer Bewegungen befassen. Nein, die Friedrich-Ebert-Stiftung ist seit Jahrzehnten auch Aufbewahrungsort des Archivs der Seliger-Gemeinde. Unser Archiv ist von daher einer der zentralen Orte zur Erforschung der sudetendeutschen Arbeiterbewegung“.

Als Prager FES widme man sich vor allem gesellschaftspolitischer Themen der Gegenwart. Man sei sich aber bewusst, dass die Geschichte von großer Bedeutung für die deutsch-tschechischen und natürlich auch bayrisch-tschechischen Beziehungen ist. Eine solche Ausstellung, die die Lebenswege tapferer Demokratinnen und Demokraten nachzeichnet, sei besonders wichtiger, da es überall in Europa darum gehe, die Demokratie zu verteidigen.

Als einer der Ausstellungsmacher erklärte Thomas Oellermann anschließend, wie die Ausstellung konzipiert sei.  „Bei der inhaltlichen Konzeption war es uns wichtig, die Lebenswege der ausgewählten Sozialdemokraten auch als eine Geschichte der Mobilität darzustellen. Flucht, Exil, Verfolgung, Vertreibung haben dazu geführt, dass sudetendeutsche Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in die ganze Welt verstreut wurden“. Außerdem war man davon überzeugt, dass die Geschichte der sudetendeutschen Arbeiterbewegung in den Dörfern und Gemeinden im Sudetenland einen globalen Charakter habe und diese Erkenntnis dazu führen könne, dass man hier vielleicht irgendwann viel selbstverständlicher über den eigenen Tellerrand hinausschaue.

Am Beispiel von 24 Personen würden die Lebensschicksale und das Wirken von sozial und demokratisch eingestellten Frauen und Männern aus der heutigen Tschechischen Republik vorgestellt. Auf der Flucht vor politischer Verfolgung durch die Nationalsozialisten, in Konzentrationslagern eingesperrt, emigriert oder nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als sudetendeutsche Antifaschisten vertrieben. Auf den jeweiligen Rollups würde zur jeweiligen Person auch der geschichtliche Hintergrund dargestellt.

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