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Arbeiter-Winterolympiade 1937

Veröffentlicht am 04.02.2022 in Allgemein

Bild und Text: Dr. Thomas Oellermann

Johannisbad – Olympiastadt

Die Olympischen Winterspiele in Peking sind neben der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar das größte Sportereignis des Jahres 2022. Athletinnen und Athleten aus vielen Ländern der Welt kommen zusammen, um die Besten zu küren. Mit großem Stolz repräsentieren sie ihre Herkunftsnationen. Die Olympischen Spiele sind ein Fest der Völker. Ein eben solches Fest fand vor nunmehr 85 Jahren in Johannisbad statt, als hier im Februar 1937 die dritte Arbeiterwinterolympiade durchgeführt wurde. Veranstalter war nicht das Internationale Olympische Komitee, sondern die Sozialistische Arbeitersportinternationale. Um den Unterschied zu verstehen, sei ein kleiner Exkurs in die Geschichte des Arbeitersports erlaubt. In den Anfängen der Arbeiterbewegung entstanden nicht nur Parteien, sondern auch andere Organisationen wie Gewerkschaften, Genossenschaften und Turnvereine. Arbeiterturnvereine hatten sich zum Ziel gesetzt, dem Arbeiter zur Erholung von der anstrengenden Fabrikarbeit eine körperliche Ertüchtigung zu bieten. In den bereits bestehenden bürgerlichen Turnvereinen konnten sie mit diesem Ansinnen nichts werden, weshalb sie eigene Turnvereine gründeten. Aus diesen entstanden mit der Zeit als Zusammenschlüsse große Verbände. Diese Organisationen gehörten zur sozialdemokratischen Arbeiterbewegung und warben für eine solidarische und gemeinschaftliche Sportausübung, ohne Rekordstreben und Gewinninteresse.

In der 1918 gegründeten Tschechoslowakei gab es somit ein recht unübersichtliches System von Sportverbänden. Neben bürgerlichen Organisationen – viele von ihnen gibt es bis heute – gab es Sportverbande in Verbindung zu den bedeutenden politischen Parteien. Durch die zahlenmäßig großen Minderheiten gab es noch weitere Verbände. So existierte zum Beispiel neben der tschechischen sozialdemokratischen Dělnická tělocvičná jednota (DTJ) auch der sudetendeutsche Arbeiter- Turn- und Sportverband (ATUS) mit Sitz in Aussig. Diese beiden Organisationen waren Mitglied in der Sozialistischen Arbeitersportinternationale (SASI). Ein Hauptbetätigungsfeld der SASI war die Durchführung von Arbeiterolympiaden. So fanden große Sommerolympiaden in Frankfurt am Main (1925), Wien (1931) und Antwerpen (1937) statt. Jeweils im gleichen Jahr wurden auch Winterolympiaden durchgeführt. 1925 in Schreiberhau/Szklarska Poręba, 1931 in Mürzzuschlag und 1937 dann in Johannisbad. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 war die dortige Arbeitersportbewegung verboten worden. 1934 beendete das autoritäre Regime in Österreich auch die dortige Arbeiterbewegung. Dies führte dazu, dass die SASI für die Olympiaden des Jahres 1937 auf andere Länder ausweichen musste. Ebenso mussten Verbände gefunden werden, die bereits waren, als Gastgeber zu fungieren. Für die Winterolympiade 1937 konnte letztlich der ATUS gewonnen werden. In der demokratischen Tschechoslowakei konnte ein solches Sportfest ohne größere Probleme durchgeführt werden. Johannisbad bot sich als Veranstaltungsort an. Als Thermalbad gab es die benötigten Hotelkapazitäten und Gäste konnten den Ort per Eisenbahn erreichen. Die hauptsächliche Verantwortung für das Gelingen der Olympiade trugen Funktionäre des ATUS. Zu nennen sind vor allem Alois Dolensky und Franz Mykura, der später vor den Nationalsozialisten nach England emigrierte. Seine Familie lebt bis heute dort.

My grandfather Franz Mykura (1896- 1966) was a successful and dedicated organiser in the workers' sports organisation ATUS in Czechoslovakia. This was his golden achievement of commitment to socialist progress. He lived in the UK for twenty-eight years after fleeing as a political refugee from Czechoslovakia in 1938 after the Munich Agreement. Franz had started working life in Cheb (Eger) before World War One as a fourteen year old doing a three-year apprentice-ship at a metal working factory and iron foundry. In the UK he was accepted as a Czech refugee and given permission in 1940 to work in a metal working factory, where he stayed as a skilled metal worker until he retired. Franz Mykura died when I was aged fifteen, and I was proud to know him and to learn of his achievements in Czechoslovakia. He was a steady, strong and loving family man who was loved by his wife, children and grandchildren.

Rosamunde Mykura

Dolensky und Mykura schufen einen eigenen Organisationsapparat für die Spiele. In Trautenau entstand ein Olympiade-Sekretariat. In Freiheit bestand gegenüber der Bahnstation die Auskunfts- und Quartierkanzlei. Unterbringen erfolgten für die ausländischen Gäste in den Hotels und für die einheimischen Sportler in Privatquartieren. Aus der Tschechoslowakei nahmen rund 250 Sportlerinnen und Sportler teil. Mit deutlich kleineren Mannschaften nahmen die Skandinavier teil, die aber am Ende die meisten Medaillen gewinnen sollten. Weitere Länder, die teilnahmen, waren die Schweiz, Ungarn, Belgien und Frankreich. Die norwegischen Erfolge wurden sogar im Rundfunk nach Oslo übertragen. Den Abfahrtslauf gewann der Norweger Tormod Ruud, dessen jüngerer Bruder Birger Ruud 1936 bei den Winterspielen in Garmisch-Partenkirchen die Goldmedaille im Skispringen gewonnen hatte. Starker Schneefall verhinderte die Durchführung von Eisschnelllaufwettbewerben. Zwei tschechische Mannschaften bestritten das einzige Eishockeyspiel der Olympiade. Den Wettbewerben wohnten an einzelnen Tagen bis zu 12.000 Zuschauer bei.

Aus Sicht der beteiligten Arbeiterturnverbände musste die Winterolympiade in Johannisbad als Erfolg betrachtet werden. Trotz der schwierigen politischen Lage in Deutschland und Österreich, war es gelungen, ein großes internationales Sportfest durchzuführen. Dieses wurde zu einem internationalen Symbol für Freiheit und Demokratie.

Mehr Infos und Orte zum Arbeitersport unter lidovedomy.cz

 

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