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Vor 80 Jahren: Der 1. Mai 1938 im Angesicht der Katastrohe

Veröffentlicht am 01.05.2018 in Adventskalender

Das Titelblatt der Maifestschrift 1938 ist die Wiedergabe eines Ölgemäldes von Ernest Neuschul

1. Mai - Prachtvolle Demonstrationen , machtvolles Ausdrucksmittel des Klassenbewusstseins der Arbeiter und der Ideale des Sozialismus. All die roten Fahnen, die am ersten Mai in den Industriestädten, in den Kleinbauerngemeinden und in den weltfernen Holzhauerdörfern wehten, waren Symbole des Anbruchs einer neuen Zeit. Vor 80 Jahren, am 1. Mai 1938 feierten die sudetendeutschen Sozialdemokraten diesen sozialistischen Festtag zum letzten Mal.
 

Der Erste Mai wird seit 1899 gefeiert. Die Arbeiter haben sich diesen Feiertag selbst geschaffen, weil er einem seelischen Bedürfnis entsprach. Der Pariser internationale Kongress im Jahre 1899 hat nicht jenen ersten Mai „eingeführt“, den wir feiern. Er hat einen Demonstrationstag für den Achtstundentag beschlossen. Nicht mehr. Mehr haben aber die Arbeiter daraus gemacht, die am ersten Mai nicht nur für den Achtstundentag demonstrieren, sondern für alles, was die Sehnsucht ihrer Klasse war: für politische Gleichberechtigung, für die Abwälzung des ökonomischen Drucks, für die Erringung ihrer Menschenwürde, für den Sozialismus.

Diese Idee war es, die den ersten Mai zu dem großen, weltumspannenden, die Proletarier aller Nationen verbindenden Fest- und Kampftage machte. Der erste Mai hat erst den internationalen Gedanken so recht lebendig gemacht: an einem Tage die Arbeiter aller Völker zusammenfassend zur gleichen Freude, zum gleichen Kampf, sie verbindend in einer berauschenden Einheit des Gefühls, hat er den Arbeitern eindringlicher als die beredtesten Lehren der Redner und der Bücher ihre Weltverbundenheit, ihre Schicksalsgemeinschaft geoffenbart – indem er sie ihnen zum Erlebnis machte.

Wenn am Maitag die Arbeiter hinter den roten Fahnen in den lachenden Frühling marschieren, wenn sie stark und stolz ihre Lieder von Freude und Freiheit singen – wen packt da nicht die Begeisterung der Marschierenden, wer fühlt da nicht das Große, das die Herzen der Arbeiter an diesem Festtag erfüllt, das Wunderbare, dem dieser Marsch gilt? (Josef Hofbauer (Teplitz-Schönau) – Maifestschrift 1930)

Der Erste Mai im Weltkrieg – alle Maienträume an der Wirklichkeit zerschellt?

Was waren das für ein schlimmer erster Mai in jedem der Kriegsjahre! Während in der Heimat ein Häuflein Getreuer, die über alles die Idee stellten, den ersten Mai feierte, ihn feierte als Fest der Zukunft trotz alledem, standen an den Fronten einander Klassengenossen mit den Mordwaffen gegenüber, tötete der Sozialist den Sozialisten! Schien es nicht als wären alle Maienträume für immer zerstoben, der Maigedanke, der Menschheitsgedanke ein Opfer, eines der edelsten Opfer des Weltmordens geworden? O, es gab nicht wenige, die damals verkündeten, die Utopien des ersten Mais seien an der Wirklichkeit zerschellt!

Aber als die Waffen gesunken waren, da erwachten die Massen aus der Wirklichkeit des Krieges wie aus einem unheimlichen Traum und wandten sich hoffnungsfroh den „Utopien“ des ersten Mai zu! Menschlichkeit nach soviel Barbarei! Die Menschheit – nach soviel Gräueln des Nationalismus! Dem Licht der Zukunft entgegen streckten sich die blutbefleckten Hände, befleckt vom Blute der Brüder. (Josef Hofbauer (Teplitz-Schönau) – Maifestschrift 1924)

1. Mai 1938 im Angesicht der Katastrohe

Mit angehaltenem Atem verfolgte die Arbeiterklasse der ganzen Welt 1938 den Freiheitskampf des spanischen Volkes, den der mörderische Faschismus ihm aufgezwungen hatte. Unzählbar waren die Opfer an Gut und Blut, die dieser Kampf forderte, beispiellos war aber auch der Heroismus, mit dem das spanische Volk ihn führte. Längst wurde auf den Schlachtfeldern des spanischen Bürgerkrieges nicht mehr um Spaniens Freiheit allein gerungen: Es war ein Kampf zwischen Faschismus und Demokratie geworden.

Im Anblick des Krieges in Spanien und nach der Besetzung Österreichs durch reichsdeutsche Truppen, in der Hoffnung einen Krieg in letzter Sekunde abwenden zu können, gab es am ersten Mai 1938 keine großen Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen. Auch wenn er in der kleineren Gemeinschaft der Genossen gefeiert wurde, war ihnen dieser Tag nicht weniger heilig. „Hier stehen wir dem Terror der Lügenpropaganda und der Meute des Nationalismus gegenüber. Hier heißt es festzubleiben und standzuhalten“, so Ernst Paul in der Maifestschrift 1938. „Ist also die Maifeier dieses Jahres mehr als je zuvor zu einer Sache des Herzens geworden, so ist sie zugleich auch ein Anlass zu innerer Sammlung und zur Erneuerung unseres Gelöbnisses. Und mit aller Inbrunst unseres Herzens sagen wir: Der erste Mai bleibt unser und unser wird auch sein der Sieg, trotz alledem!“

In Anbetracht der aufziehenden Katastrophe standen auch die Textbeiträge in der Maifestschrift 1938:

Wenzel Jaksch: Wir fahren durch schweren Sturm. An diesem ersten Mai ist nicht viel Anlass zu beschaulichen Betrachtungen und zu frohen Feierreden. Mitten im Kampf wollen wir einander einen Moment ins Auge sehen und uns über den Kurs verständigen, den die letzte deutsche Freiheitsbewegung in Mitteleuropa einzuschlagen hat. In der Tat ist ein gewaltiges Ringen um die Zukunft Europas und der Welt im Gange. Für unsere Generation ist auf dieser Scheitelhöhe eines historischen Überganges alles zu gewinnen und alles zu verlieren. Unser Leben ist nur zu retten durch die Bereitschaft, es für Menschlichkeit, Demokratie und Sozialismus zu opfern.

Ernst Paul: Der Sieg des Faschismus in Deutschland und Österreich veränderte die Landkarte Europas und versetzte die Welt in schwerste Unruhe. Im deutschen Volk hat eine brutale Minderheit die Mehrheit in eine geistige Zwangsjacke gesteckt, die jede freie geistige Regung zu ersticken droht und ärgsten nationalistischen Ungeist schamlose Orgien feiern lässt. Fürwahr, es ist ein düsteres Bild, das sich vor unseren Augen entrollt.

 

Ich möchte frei sein!

Ich möchte frei sein, wie der sausende Wind,

frei sein, wie die stürmende Wolke,

wie die Vögel, die unter dem Himmel sind

über meinem leidenden Volke.

(Zeilen eines norddeutschen Dichters, der noch im Dritten reiche lebt. Sein Gedicht als wahrer Ausdruck der im „Großdeutschen Reich“ geknebelten Seele. Abdruck in der Maifestschrift 1938)

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