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Sudetendeutscher Tag 2022

Veröffentlicht am 07.06.2022 in Allgemein

Podiumsdiskussion der Seliger-Gemeinde: (v.l.) Viktoria Grossmann (Süddeutsche Zeitung), MdL Volkmar Halbleib (BayernSPD), Moderator Peter Becher, Monika Horáková (tschechische GRÜNE) und Torsten Fricke (Sudetendeutschen Zeitung)

Für eine gemeinsame Erinnerungskultur und Einigkeit bei wichtigen Zukunftsthemen

Podiumsdiskussion der Seliger-Gemeinde beleuchtete die deutsch-tschechischen Beziehungen – Ausbau des Alexandersbader Forums gefordert

Wie können die deutsch-tschechischen Beziehungen gestärkt werden, um zu einem freien und demokratischen Mitteleuropa beizutragen? Was sind die großen Herausforderungen? Welche Perspektiven können gemeinschaftlich weiterentwickelt werden? Und welchen Beitrag leisten dazu die im Herbst 2021 beschlossenen Alexandersbader Thesen, die die Brannenburger Thesen aus dem Jahr 1998 ablösen? Diese Fragen diskutierte Moderator Peter Becher am Pfingstsamstag beim 72. Sudetendeutschen Tag in Hof mit den Politikern Monika Horáková (tschechische GRÜNE) und MdL Volkmar Halbleib (BayernSPD) sowie den Journalsit_innen Viktoria Grossmann (Süddeutsche Zeitung) und Torsten Fricke (Sudetendeutschen Zeitung) bei einer Podiumsdiskussion, mit der die Seliger-Gemeinde zur Gesamtveranstaltung beitrug.

Unter den gut 50 Zuhörern konnte Bundesvorsitzende Helena Päßler neben Volksgruppensprecher Bernd Posselt auch eine Anzahl prominenter Persönlichkeiten begrüßen.  „Wir leben in bewegten Zeiten, die von uns viel Solidarität und Zusammenarbeit erfordern. Die Seliger ist mit ihren mehr als 70 Jahren weder alt noch unmodern und schon gar nicht senil. Wir als Seliger-Gemeinde stellen uns den Herausforderungen der Zukunft und aktuellen Begebenheiten – so auch dem Krieg gegen die Ukraine“, so Helena Päßler in ihren Ausführungen.

Sehr unterschiedlicher Umgang mit dem Fall des Eisernen Vorhangs

Moderator Peter Becher, ehem. Bundesvorsitzender der Seliger-Gemeinde und jetziger Vorsitzender des Adalbert Stifter Vereins wollte in der ersten Fragerunde von den Podiumsteilnehmern wissen, wie sie ganz persönlich den Fall des Eisernen Vorhangs 1989 erlebt haben. Selbst die beiden jüngsten Teilnehmerinnen, die 1983 geborenen Monika Horáková und Viktoria Grossmann, konnten aufgrund ihres Geburtsortes – Horáková kommt aus Tschechien, Grossmann aus Sachsen - über ganz unterschiedliche Erinnerungen bzw. Familienerzählungen berichten. Noch differenzierter wurde es bei den Erinnerungen des jungen Kommunalpolitiker Volkmar Halbleib und des jungen Radiomoderators Torsten Fricke. Genauso unterschiedlich waren die Erwartungen der vier Podiumsteilnemer_innen an die neue Zeit. Nicht zu sprechen von den erfahrenen Enttäuschungen. Peter Becher, der die persönlichen Erlebnisse fein herausarbeitete, erklärte, dass die Seliger-Gemeinde, die Ackermann-Gemeinde sowie der Adalbert Stifter Verein mit dem Umbruch sehr offensiv und offen umgingen, sei die Sudetendeutsche Landsmannschaft wie gelähmt gewesen. Wie die einzelnen Menschen hatten auch die Sudetendeutschen Organisationen ganz unterschiedliche Herangehensweisen mit der neuen Situation umzugehen.

Gerade die Seliger-Gemeinde hatte die Zeichen der Zeit genutzt und sich mit den Brannenburger Thesen 1989 sehr modern positioniert. Viele Forderungen darin wurden im Laufe der Zeit erfüllt: Die Deutsch-Tschechischer Erklärung, der NATO- und EU-Beitritt Tschechiens und die politischen Kontakte der Sozialdemokratie auf beiden Seiten der Grenze. Volkmar Halbleib betonte die wichtige Rolle der SPD und der Seliger-Gemeinde bei der Überwindung der politischen Eiszeit gegenüber dem tschechischen Nachbarn in Bayern.

Defizite bei der Aufarbeitung der Vertreibung sowie bei Menschen- und Minderheitenrechten

Viele Grundsatzfragen der Vergangenheit seien gelöst, so Halbleib weiter. Doch es gebe auch weiterhin deutliche Differenzen im Zusammenhang mit der Straffreiheit für Gewaltverbrechen bei der Vertreibung sowie den Menschen- und Minderheitenrechten insbesondere gegenüber den Sinti und Roma in Tschechien. Hier gelte es klare Haltung zu zeigen. Dem stimmte Monika Horáková zu und verwies auf die unterschiedlichen Positionierungen der tschechischen Parteien in diesen Fragen.

Auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft habe, so Torsten Fricke, unter Bernd Posselt auf einen Versöhnungskurs eingeschwenkt. In der Sudetendeutschen Zeitung werde offen über deutsche und tschechische Vergehen der Vergangenheit berichtet. Fricke stellte aber auch klar, dass sich gerade die tschechische Gesellschaft später damit zu beschäftigen begann und noch einen enormen Nachholbedarf habe. Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass die Tschechen, wie die ehemaligen DDR-Bürger eine verständliche Angst davor haben, vom großen Nachbarn Deutschland überrollt zu werden und sich nur langsam Vertrauen aufbauen könne, fügte Viktoria Grossmann an. In Sachen Flüchtlingshilfe hätte die Tschechische Republik ihre Lektionen gelernt, erklärte Monika Horáková und verwies auf die aktuellen Hilfeleistungen für ukrainische Flüchtlinge. Hier würde sich zwar weiter der Saat sehr wenig engagieren, die Zivilbevölkerung dagegen umso mehr.

Fokus liegt auf den wichtigen Zukunftsfragen wie Rechtspopulismus, Überwindung der Pandemie, Klimawandel oder nun der Krieg in der Ukraine

Nachdem die Podiumsmitglieder einige Beispiele zur Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen auf unterschiedlichsten Ebenen darstellen konnten, verwies Peter Becher auf die zukunftsweisenden Aussagen der Alexandersbader Thesen, die die Seliger-Gemeinde im Herbst 2021 beschlossenen hat. Becher stellte dabei heraus, dass die sudetendeutsche Vergangenheit und die tschechische Gegenwart wie zwei Seiten einer Spielkarte – aber ein untrennbares Ganzes seien. Ob in den wichtigen Zukunftsfragen wie Rechtspopulismus, Überwindung der Pandemie, Klimawandel oder nun der Krieg in der Ukraine gelte es gemeinsame Antworten zu finden. Auch die unangefochtene Aussage „Nie wieder!“ müsse trotz der gelebten Authentizität angesichts des Ukrainekonflikts neu definiert werden. Hier sei auch zu nennen, dass es große Lücken in der Erinnerungskultur gebe – viele Folgen der deutschen Okkupationspolitik in Ländern wie Italien, Griechenland aber auch der Ukraine seien zu schließen. Dem gegenüber sei die fortschrittliche Position des Brünner Nationalitätenprogramms beispielhaft für multiethische Staaten.

„Ich liebe die Seliger-Gemeinde dafür, dass sie die aktuellen Weltfragen in ihre Alexandersbader Thesen aufgenommen hat“

Die Podiumsmitglieder plädierten dafür, dass in den deutsch-tschechischen Beziehungen wechselseitige Missverständnisse in wichtigen Zukunftsthemen wie Energieversorgung, Atomenergie, Migration usw. nur dadurch geklärt werden können, wenn es eine gemeinsame Entwicklung gebe.  „Ich liebe die Seliger-Gemeinde dafür, dass sie die aktuellen Weltfragen in ihre Alexandersbader Thesen aufgenommen hat“, so die GRÜNEN-Politikerin Monika Horáková zur fortschrittlichen Positionierung der Seliger-Gemeinde. Dass sich die unterschiedlichen Wahrnehmungen in Ost und West zu vielen Hindernissen aufgebaut hätten, berichtete Viktoria Grossmann. So sei Tschechien und vor allem die Hauptstadt Prag für die Ostdeutschen schon immer beliebte Reiseziele. In München hingegen, sei man der Meinung Prag liege zu abseits und dass ehemalige sozialistische Ausland keine Reise wert.

Es braucht ein Dialogformat um Zukunftsfragen im deutsch-tschechischen Dialog zu erörtern

Volkmar Halbleib erklärte, dass die Seliger-Gemeinde die Probleme der Welt nicht alleine lösen können wird, es aber ihre Aufgabe sei, sie im deutsch-tschechischen Dialog zu erörtern. Grundsätzliches Einvernehmen und bestehende Differenzen in den Zukunftsthemen müssten gemeinsam in Politik und Gesellschaft besprochen werden können. Die Seliger-Gemeinde habe bereits mit dem Alexandersbader Forum ein Dialogformat entwickelt, müsse dies aber weiter ausbauen und Umweltorganisationen usw. mit einbeziehen. Die politischen Parteien seien hierzu bisher äußerst schlecht aufgestellt. Es gelte ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln und gemeinsame Ziele zu erarbeiten. Eine gemeinsame Erinnerungskultur und ein multilateraler Kontext bei den Zukunftsthemen seien unabdingbar.

Alexanders- bader Forum

Forum Bad Alexandersbaddie Seliger Gemeinde ging 2018 mit einem neuen Diskussionsformat an den Start

Das Alexandersbader Forum befasst sich mit aktuellen gesellschaftspolitischen Themen im deutsch-tschechischen Dialog.

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Da immer größeres Interesse deutscher und tschechischer Leserinnen und Leser für diese Publikationen erkennbar ist, erweitert die Seliger-Gemeinde ihr Portfolio um das Format „Lorem ipsum“, das die Lust auf deutsch-tschechische Literatur aufgreift und unterstützen will.

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