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Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis 2022

Veröffentlicht am 06.07.2022 in Allgemein

Zwei Wenzel-Jaksch-Preisträger in der Tschechischen Botschaft (30.6.2022): Dr. František Černý (2022, re.) und Wolfgang Thierse, Bundestagspräsident a.D. (2017, li.) – Foto: Ulrich Miksch

 

Wenzel Jaksch -Gedächtnispreis 2022 geht an Dr. František Černý

Germanist, Dissident, Diplomat und unermüdliche Mittler zwischen Tschechen und Deutschen

„Die Seliger-Gemeinde verleiht den WenzelJaksch-Gedächtnis-Preis 2022 in Anerkennung und Würdigung der besonderen Verdienste um die Wahrung des Vermächtnisses und die Verdeutlichung der besonderen Geschichte der Sudetendeutschen Arbeiterbewegung sowie das Eintreten für die friedliche Neugestaltung Europas in Freiheit, Recht und sozialer Gerechtigkeit an Herrn František Černý Botschafter a.D.“, steht auf der Urkunde, die Laudator Tomáš Kafka, Botschafter der Tschechischen Republik, für den Preisträger am 3. Juli 2022 im Plenarsaal des Maximilianeums entgegen genommen hat. Der 91jährige Černý war Botschafter der Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik in Berlin. Die Bemühungen um die Aussöhnung und Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen prägen sein Leben. Der Preisträger war krankheitsbedingt nur per Video-Schaltung anwesend.

František Černý wurde am 8. Juni 1931 in Prag geboren. Schon seit früher Kindheit lebte und erlebte er die multikulturellen Verknüpfungen in der damaligen Ersten Tschechoslowakischen Republik. Ein Teil seiner Verwandtschaft ist tschechisch, ein anderer deutsch bzw. österreichisch. Seine Großmutter war die älteste von insgesamt neun Geschwistern, von denen zwei im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Die Überlebenden waren weit über das Gebiet des damaligen Habsburgerreiches verstreut. Mindestens einmal im Jahr traf sich die Großfamilie in Prag. Černý, der mehrsprachig aufwuchs, stammte aus einer bürgerlichen Familie. Sein Vater war Sparkassen-Angestellter, sein Großvater mütterlicherseits war hoher Beamter zu Zeiten der k.u.k. -Monarchie und später in der Ersten Tschechoslowakischen Republik. So galten er und seine Familie den kommunistischen Machthabern als politisch unsicher, wodurch ihm vorerst der Weg zum Studium versperrt wurde.

Erst nachdem der als politisch unzuverlässig eingestufte Černý drei Jahre in einer Fabrik an einer Drehbank gearbeitet und den Militärdienst als Waldarbeiter absolviert hatte, konnte er ein Studium der Germanistik und der Bohemistik an der Karls-Universität aufnehmen, was er 1963 mit einer Dissertation über Erich Maria Remarque abschloss. Schon während seiner Studienzeit begann er als Redakteur beim tschechischen Rundfunk, erst im Jugendprogramm und dann bei den Auslandssendungen zu arbeiten. Neben seiner Tätigkeit für das Radio engagierte er sich für die Erinnerung an das kulturelle Erbe der Deutschen in den historischen böhmischen Ländern und setzte sich aktiv gegen eine Homogenisierung der Tschechen ein. Im Jahre 1963 nahm er an der Kafka-Konferenz in Liblitz teil. Neben einer Rehabilitierung Franz Kafkas, der bis dahin in den sozialistischen Ländern tabuisiert wurde, gilt die Konferenz als einer der wichtigsten Vorreiter des Prager Frühlings 1968. Viele Intellektuelle nicht nur aus Tschechien, sondern aus ganz Europa diskutierten kontrovers die Möglichkeiten eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz.

Im Frühjahr 1969 im Zuge der Entmachtung der Reformer des Prager Frühlings traf ihn ein Berufsverbot. 20 Jahre jobbte er als Dolmetscher und Deutschlehrer bis 1989 an einer Abendschule in Prag. Erst nach der Wende ergab sich wieder die Möglichkeit, seine Berufung, die deutsch-tschechische Verständigung, weiter voranzutreiben. Gleich nach der samtenen Revolution trat er, auch auf Drängen Václav Havels und seines Studienfreundes Jiri Dienstbier, in den Dienst des Auswärtigen Amtes und blieb bis 1995 Gesandter und Leiter der Außenstelle der Botschaft seines Landes in Berlin. Im Jahre 1998 wurde er dann zum alleinigen Botschafter Tschechiens ernannt. Diese Stelle hatte er bis 2001 inne. Nach seiner aktiven politischen Zeit widmete er sich ganz der deutschsprachigen Literatur in den böhmischen Ländern.

Tomáš Kafka, Botschafter der Tschechischen Republik, betonte in seiner Laudatio den besonderen Stellenwert Černýs und sein Engagement für die deutsch-tschechischen Beziehungen. Mit seinem lebendigen Naturell habe Černý Freude und Freundschaft in die deutsch-tschechischen und in die sudetendeutsch-tschechischen Beziehungen gebracht. Als Maschinendreher, Journalist und später als Botschafter in Bonn und Berlin – in allen Rollen habe Černý als Urgestein deutsch-tschechischer Aussöhnung brilliert, lobte Kafka Černýs Verdienste.

Wie nur wenige andere, hat er zur Verbesserung der deutsch-tschechischen Beziehungen beigetragen, als Botschafter in Berlin, als Vorsitzender der Union für gute Nachbarschaft und des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren. Nach 1989 ist er zu einer Schlüsselfigur der Verständigung zwischen Deutschen, Tschechen und Sudetendeutschen geworden. Auch bei der Seliger-Gemeinde war er gerne gesehen. Mit Jan Hon reiste er dreimal mit nach Brannenburg, war auch bei der denkwürdigen Übergabe des Wenzel-Jaksch-Preises an Jiří Paroubek dabei und stand mit Jan Hon vor dem Grabdenkmal Josef Seligers. Volkmar Gabert kannte und schätzte er sehr. Auf seine Weise hat er vorgelebt, wie Versöhnung entstehen kann, ohne die Schmerzen der Vergangenheit zu vergessen. Dafür gebührt ihm größter Dank, an der Isar nicht weniger als an der Moldau und an der Spree.

Dr. František Černý ist u. a. Träger des Kunstpreises zur deutsch-tschechischen Verständigung (gemeinsam mit Richard von Weizsäcker), des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern und Schulterband (verliehen von Bundespräsident Johannes Rau), des Einheitspreises und des Ricarda-Huch-Preises (verliehen an Persönlichkeiten, deren Wirken in hohem Maß durch unabhängiges Denken und mutiges Handeln bestimmt ist und welche die Ideale der Humanität und Völkerverständigung als Werte der historisch-kulturellen Identität der europäischen Gesellschaft fördern). Und nun auch Träger des Wenzel Jaksch-Gedächtnispreises der Seliger-Gemeinde.

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