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Studienfahrt 2024

Veröffentlicht am 05.09.2024 in Allgemein

Auf dem Neuen Jüdischen Friedhof besuchten wir nicht nur das Grab Franz Kafkas, sondern ehrten vor allem Emil Strauß, den wichtigen sozialdemokratischen Journalisten und Schwiegersohn Josef Seligers.

 

Gedenken an den Gräbern

Am Freitagvormittag (der Besuch eines Friedhofs ist am Sabbat verboten) ging es bei strahlendem Sonnenschein in die Kühle der Friedhöfe Prags. Die erste Station, der Neue Jüdische Friedhof im Stadtteils Žižkov, ist einer der beiden bekanntesten jüdischen Friedhöfe der Stadt und der größte jüdische Friedhof in Tschechien. Er wurde am 6. Juli 1890 eröffnet.

Direkt am Eingang des Friedhofs finden sich die Ehrengräber berühmter Rabbiner, darunter beispielsweise Nathan Ehrenfeld und Gustav Sicher. Weiterhin existieren verschiedene Monumente. Das Denkmal für die Opfer des Ersten Weltkriegs entstand 1926 in der Form eines länglichen Quaders, der in zwei rechteckige Sockel eingefügt ist. Vladimír Stehlík und Zdenék Vodička schufen das 1985 aufgestellte Denkmal für die tschechoslowakischen Juden, die Opfer des Holocaust und der Widerstandsbewegung. Es handelt es um eine Konstruktion aus konvexen Ellipsen, in deren Mitte der Davidstern strahlt.

Die Einfriedungsmauer, der vom Architekten Friedrich Münzberger entworfen Zeremoniensaal mit einem würdigen Betraum, das Taharahaus, in dem die rituelle Reinigung der Toten stattfindet, sowie die Betriebs- und Verwaltungsgebäude wurden im damals vorherrschenden Stil der Neurenaissance errichtet.

Gleich am Eingang weißt ein schlicht gehaltenes Schild den Weg zum Grab des Schriftstellers Frank Kafka, der wie kein anderer Prag als den Kulminationspunkt aus deutscher, jüdischer und tschechischer Intelligenz verkörpert. Auf dem Weg zu Kafkas Grab entlang der Friedhofsmauer fallen die Tafeln an der Mauer auf, die den Opfern der Shoah gewidmet sind. Die neben hebräisch überwiegend in Deutsch gehaltenen Grabinschriften jenseits des Weges vermitteln einen Einblick in das jüdische Selbstverständnis aus der Zeit vor der deutschen Okkupation 1938.

Nach einem kurzen Halt vor Kafkas Grab - gemeinsam mit seinen Eltern liegt der Schriftsteller Franz Kafka, der im Alter von nur 41 Jahren an Tuberkulose starb, zwischen einem Ölfabrikanten und einem Professor begraben. Das Grabmal hat die Form eines sechsseitigen Kristalls, der auf der Stirnseite die Daten der Verstorbenen trägt - gingen wir uns tiefer in den von Ahorn- und Lindenbäumen gesäumten Friedhof hinein. Denn unser Zeil ist eine andere Grabstelle.

Schiefe, längst verwitterte Grabsteine stehen neben gut gepflegten Gräbern und monumentalen Todeshallen. Der wuchernde Efeu lässt vieles unter sich verschwinden: Grabsteine, Familiengeschichten, Tragödien – Jahrhunderte jüdischen Lebens in Prag. Und der Efeu führt zu absoluter Gleichheit. Ihn interessiert nicht, ob unter ihm der Großindustrielle, die Advokatengattin oder das viel zu früh verstorbene Kind begraben liegt. Alle sind gleich, vereint im Jenseits, ruhend auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Žižkov, so beschreibt es Jonas Klimm sehr treffend in einem Artikel im LandesEcho 2021.

Unser Ziel war die Grabstelle der Familie Strauß. Hier ehrten wir vor allem Emil Strauß (1889–1942), den wichtigen sozialdemokratischen Historiker, Journalisten und Schwiegersohn Josef Seligers. Strauß blieb 1939 trotz Visum in Prag bei seinem alten Vater und wurde Anfang April 1939 in Prag von der Gestapo verhaftet, im Juni 1940 in das KZ Dachau, von dort im Juli 1941 nach Buchenwald verbracht und im Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert. Hier wurde er am 12. 12. 1942 ermordet. Deshalb ist Emil Strauß in Prag auch nicht beerdigt und wird, wie der ebenfalls ermordete Teil seiner Familie, auf der Grabtafel entsprechend erwähnt.

Viele seiner Publikationen wurden von den Nazis verboten bzw. verbrannt; u.a. Die Entstehung der deutschböhmischen Arbeiterbewegung (1925), Die Entstehung der Tschechoslowakischen Republik (1934), Die Tschechoslowakische Außenpolitik (1936).

Da es jüdische Tradition ist, kleine Steine auf die Grabstelle zu legen, brachten wir keine Blumen, sondern Steine mit, die wir auf dem Grabstein ablegten. Steine symbolisieren unter anderem Beständigkeit und Unvergänglichkeit.

 

Anschließend trafen wir uns mit Patrik Eichler am gegenüber liegenden Olšansker Friedhof um an den Gräbern der bedeutenden tschechischen Sozialdemokraten František Soukup und Antonín Neměc gemeinsam Blumen niederzulegen.

František Soukup (1871-1940) war tschechischer Sozialdemokrat, Rechtsanwalt und Journalist. Er machte eine rasche innerparteiliche Karriere bis in die Parteiführung. Er vertrat die Tschechischen Sozialdemokraten ab 1905 im Tschechischen Nationalrat in Prag und war von 1908 bis 1938 zudem Vertreter der Tschechischen Sozialdemokraten im ständigen Büro der II. Internationale in Brüssel. Nach der Gründung der Parteizeitung „Právo lidu“ im Jahr 1897 war Soukup Redakteur des Parteiorgans und wirke mehrere Jahre auch als Parlamentsberichterstatter für diese Zeitung. Soukup begründete die Arbeiter-Akademie in Prag und war in der Freidenkerbewegung aktiv. Bei der Reichsratswahl 1907 trat er im Wahlbezirk Böhmen 6 (Stadtwahlkreis Prag) an und konnte sich bereits im ersten Wahlgang durchsetzen.

Soukup wurde 1913 als erster Sozialdemokrat in die Prager Stadtverordnetenversammlung gewählt. Er war ab Juli 1918 Sekretär des Tschechoslowakischen Nationalausschusses und verhandelte im In- und Ausland über die politische Nachkriegsordnung. Er gehörte zu den fünf sogenannten „Männern des 28. Oktober“ die am 28. Oktober 1918 in Prag die Gründung des selbstständigen Tschechoslowakischen Staates proklamierten. Von November 1918 bis Juli 1919 bekleidete er im neuen Staat das Amt des Justizministers. Er war zudem von 1918 bis 1920 Mitglied und Vizepräsident der Revolutionären Nationalversammlung und war ab 1920 Mitglied sowie Vizepräsident des Tschechoslowakischen Senats. 1929 übernahm er das Amt des Präsidenten des Tschechoslowakischen Senats. Soukup wurde 1939 zwei Mal von der Gestapo verhaftet und verstarb an den Spätfolgen dieser Verhöre.

 

 Antonín Neměc (1858-1926) war Schriftsetzer von Beruf und trat der entsprechenden Gewerkschaft bereits 1876 bei. Er stieg zum Leiter der mährischen Druckergewerkschaft auf. Neměc wurde 1894 Redakteur einer tschechischsprachigen Arbeiterzeitung in Wien, wo zahlreiche Tschechen lebten.

Im Jahr 1897 übernahm er die in Prag erscheinende Parteizeitung Právo lidu als Chefredakteur. Er war seither die faktisch führende Persönlichkeit der tschechischen Sozialdemokraten, die offiziell noch der österreichischen Partei angehörten. Hinsichtlich des Verhältnisses der Nationen formulierte er auf dem Parteitag der Gesamtpartei in Wien 1897: Es sei nicht vertretbar, „dass die Parteitage der deutschen Genossen zugleich Gesamtparteitage der österreichischen Sozialdemokratie sind. (...) Man wolle "keine gemeinsame österreichische Gesamtpartei, sondern eine geeinte Partei, welche aus den verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt ist.“ Er vertrat die tschechischen Sozialdemokraten auch in der II. Internationale. Offiziell Vorsitzender der tschechischen Sozialdemokraten war er von 1904 bis 1915 und erneut von 1915 bis 1925. Zwischen 1907 und 1914 war er einer der führenden Köpfe der zweiten Internationalen. Er gehörte dem Internationalen sozialistischen Büro, also dem Führungsgremium der Internationalen an. Im Jahr 1907 und erneut 1911 wurde er in das Abgeordnetenhaus für einen Prager Wahlkreis gewählt. Im Oktober 1918 wurde er Mitglied der tschechischen Nationalversammlung und blieb danach bis 1925 Parlamentsmitglied.

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