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Studienfahrt 2023

Veröffentlicht am 03.09.2023 in Allgemein

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Das größte und eines der eindrucksvollsten Grabmäler auf dem Wolschaner Friedhof ist die Gruft der Familie Hrdlička – verbunden damit eine ganz besondere Geschichte.

 

Spaziergang auf dem Wolschaner Friedhof

Ein Spaziergang auf einem Friedhof, insbesondere auf einem Friedhof in einem anderen Land, ist immer ein Blick auf eine andere Kultur – voll mit Geschichte und Geschichten. Wenn es dann auch noch sommerlich heiß ist, dann ist so ein Spaziergang durch einen ruhigen, schattigen, alten Friedhof die pure Erholung. Thomas Oellermann hat für unseren Prag-Besuch 2023 den größten, Jahrhunderte alten Friedhof ausgesucht, den Wolschaner Friedhof. Gleich am Eingang des Geländes steht ein großer Plan, auf dem die Lage einiger Gräber von bekannten Persönlichkeiten aus der tschechischen Geschichte und Kunst verzeichnet sind.

Kaum betritt man das Gelände, steht am an schier endlos langen Reihen von Gräbern. Breite Alleen mit schattenspendenden Bäumen durchqueren den Friedhof. Überall zweigen kleinere Wege ab, die zu einzelnen Grabfeldern führen. Die Gräber haben nicht nur unterschiedliche Größe, es gibt Gräber mit alten verwitterten Grabsteinen, die von Efeu überwuchert sind, andere Gräber haben frischen Blumenschmuck. Riesige Grabsteine mit wunderschönen Figuren stehen neben schlichten schmucklosen Grabsteinen.

Während des Rundganges waren wir immer wieder gefangen von den optischen Eindrücken, den künstlerischen oft sehr liebevollen Gestaltungen - man denkt unwillkürlich darüber nach, wer dort wohl bestattet worden ist. Viele Grabsteine haben deutsche Inschriften denn man sprach in Prag bis 1945 neben tschechisch auch deutsch und so findet man deutschsprachige, tschechischsprachige und deutsch-tschechischsprachige Familiengräber und Krypten nebeneinander.

Die Friedhöfe Olšany in der Ortslage Olšany des Prager Stadtteils Žižkov sind eine aus zwölf Einzelfriedhöfen bestehende kommunale Nekropole. Der größte Friedhof Prags verdankt seine Gründung dem Wüten der Pest im Jahr 1679. An diese Begräbnisstätte erinnert die dem Pestheiligen Rochus gewidmete Kirche. Der Bereich um die Kirche herum ist der älteste Bestandteil der Friedhöfe und bietet zahlreiche wertvolle Beispiele der funeralen Plastik von František Ignác Plat­zer, František Xaver Lederer, Václav Práchner und weiteren Schöpfern.

Als durch Kaiser Joseph II. auch in Prag Begräbnisse in der Innenstadt verboten wurden, wurden ab Ende des 18.Jahrhunderts nahezu alle Prager aus der Alt- und Neustadt auf dem Friedhof vor der Stadt beerdigt. Bis zu zwei Million Menschen sollen seit seiner Gründung bis heute auf dem Friedhof bestattet worden sein. Die Friedhofsanlagen wird von der Straße Jana Želivského in zwei Teile geteilt. Das Gesamtfeld besteht aus mindestens 65.000 Gräbern, wobei Dokumente darlegen, dass mindestens 230.000 Menschen hier begraben worden sind, darunter befinden sich allein auf dem jüdischen Grabfeld (seit 1890) ca. 12.000 Personen, u.a. Franz Kafka. Auch ein muslimisches Gräberfeld ist vorhanden.

Neben den zivilen Friedhöfen befinden sich hier die militärischen Ehrenfriedhöfe der in beiden Weltkriegen gefallenen Soldaten, die sterblichen Überreste der vom Militärfriedhof in Karlín überführten Soldaten, ferner der russische Friedhof mit der russisch-orthodoxen Kirche aus dem 20. Jahrhundert und die Begräbnisstätte der im westlichen Widerstandskampf des Zweiten Weltkrieges gefallenen, tschechoslowakischen Soldaten.

Neben dem Gemeinschaftsgrab für kommunistischer Politiker mit Klement Gottwald (1896-1953) ist das Grab von Karel Kramář (1860-1937) zu nennen. 2016 erhielt unsere Olga Sippl aus der Hand des tschechischen Premierministers Bohuslav Sobotka die nach ihm benannte Karel-Kramár-Medaille. Auch das Grab von Jan Palach (1948-1969) konnten wir besuchen. Palach war ein tschechoslowakischer Student, der sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings und gegen das Diktat der Sowjetunion selbst verbrannte. Er wollte damit, knapp fünf Monate nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die ČSSR, ein Zeichen gegen die Rücknahme der Reformen und die daraus folgende Lethargie und Hoffnungslosigkeit der tschechoslowakischen Öffentlichkeit setzen.

Der Traum der Mutter - die wahre Geschichte eines Grabes

Das größte und eines der eindrucksvollsten Grabmäler auf dem Wolschaner Friedhof ist die Gruft der Familie Hrdlička. Das Grabdenkmal steht in unmittelbarer Nähe des Haupteinganges und gilt als größtes Grabdenkmal in den Wolschaner Friedhöfen. Trotz der Monumentalität des Grabes lässt sich nur schwer etwas über die Familie Hrdlička in Erfahrung bringen – wird man dann doch fündig erwartet einen eine Überraschung. Vielleicht gibt es kein anderes Grab mit so vielen Legenden und Mythen, die selbst in wissenschaftlichen Arbeiten unkritisch übernommen wurden.......

Die vom Bildhauer František Rous (1872-1936) geschaffene figurale Inszenierung aus reinweißem Marmor stellt eine vom Tod ihres Sohnes (Hans Hrdlička) gebrochene und zu Boden liegende Mutter dar, die händehaltend versucht ihren Sohn im Diesseits zu behalten. Der Sohn, in österreichisch-ungarischer Militäruniform gekleidet, steht vor der Mutter während hinter ihm bereits ein Engel die Tür zur Himmelspforte öffnet. Flankierend zu Mutter und Sohn hat der Bildhauer die Statue von Kaiser Franz Josef I. gestellt. Mit einer Hand stützt der Kaiser tröstend die Mutter, mit der anderen Hand versucht der Regent die Mutter dazu zu bewegen sich von ihrem Sohn zu trennen. Der Eindruck, dass der Sohn in jungen Jahren auf dem Schlachtfeld gestorben ist, ist jedoch ein Trugschluss. Hans Hrdlička nahm sich im Alter von 21 Jahren, nach einer gescheiterten Liebesbeziehung, das Leben. Das Denkmal entstand im Auftrag der Mutter, welche kurz vor dem Tod ihres Sohnes einen Traum hatte. Diesen Traum ließ die Mutter schlussendlich für das Grabmal ihres Sohnes in Stein hauen. Das Grabdenkmal, welches ein ganzes Vermögen gekostet haben soll, wurde vom Unternehmen Pupp Škarka ausgeführt und ist auch als „Traum der Mutter“ bekannt…

….soweit die Legende.

Der Vater, Alois Jan Hrdlička JUDr., war Rechtsanwalt und Richter, k. k. Justizrat und Sekretär des Tschechischen Landesgerichts in Prag. Er wurde am 19. Januar 1849 in Břasy im damaligen Österreichischen Kaiserreich geboren, zog im Jahr 1883 nach Prag und arbeitete sich bis zum Sekretär des Prager Landesgerichts hoch.  Sein Vater war Jan Hrdlička, ein Wirt des gehobenen Gasthauses U havířů in Břasy und späterem Bierbrauer in Týn nad Vltavou. Er heiratete Jindřiška Hrdličková (1857-1924), geb. Henriette Wurm.

Die letzten Jahre von Hrdličeks Leben waren schwierig. Im Herbst 1904 wurde er beschuldigt, Zeugen in einem Prozess beeinflusst zu haben. Er wurde in den Ruhestand versetzt, zunächst sogar ohne eine Rente zu erhalten. Zur gleichen Zeit erkrankte er auch und war fortan bettlägerig. Im April 1905 wurde er wegen Betrugs angeklagt. Nach Angaben des Klägers war er 1895 für einen Schnapsfabrikanten gegen Bestechung tätig geworden, 1901, um einem wohlhabenden jungen Mann zu helfen, sich dem Militärdienst zu entziehen, und 1902, um als Zeuge im Prozess gegen seinen Freund, den betrügerischen Genealogen Alois Müller, falsche Angaben zu machen.

Als einer der Indizienbeweise für die angebliche Bestechung wurde ein teures Grabmal angeführt, das sich der Kläger nach eigenen Angaben von seinem Gehalt nicht leisten konnte. In keinem dieser Fälle wurde er jedoch für schuldig befunden, und die Geschworenen sprachen ihn mit überwältigender Mehrheit frei.

Im März 1906 stand er jedoch erneut vor Gericht. Der Bildhauer František Rous verklagte ihn auf 10.400 CZK, die er ihm für die Anfertigung des Grabsteins schulden sollte. 30.500 CZK sollte der gesamte Auftrag kosten, davon 18.000 CZK für die Kosten und 12.500 CZK für das Honorar, während Hrdlička ihm nur 20.100 CZK zahlte.  Hrdlička verteidigte sich über seinen Anwalt damit, dass der vereinbarte Preis niedriger gewesen sei und er mehr gezahlt habe, als er verpflichtet gewesen sei. Die Beweisführung gestaltete sich schwierig - es mussten Zeugen befragt werden, die nicht direkt an der Transaktion beteiligt waren. Während des Prozesses starb Hrdlička, und das Ergebnis konnte aus den verfügbaren Quellen nicht ermittelt werden.

Der Bildhauer František Rous stammte aus Žamberk. Er war ein Zeitgenosse von J. V. Myslbek, Jan Stursa und anderen. Nach dem Brand des Nationaltheaters realisierte er zusammen mit Emanuel Halman und Ladislav Šaloun Schnirchs Skulptur der Triga am Gebäude des Nationaltheaters in Prag, die Skulptur des Kentauren und der Nymphe im Brunnen auf dem T. G. M. Platz in Žamberk und das Denkmal für die Opfer des Ersten Weltkriegs in Žamberk.

Alois Hrdlička starb am 30. April 1906 in Vinohrady/Weinberge und wurde in der Familiengruft in Olšany beigesetzt. 1924 starb seine Witwe Jindřiška und neben ihrem Mann und ihrem Sohn begraben.

Nun die Wahrheit…

… am 25. Mai 1900 starb der einzige Nachkomme der Familie Hrdlička, der Sohn Hans der am 3. Juli 1879 in Kourim geboren worden war. Er war Student im zweiten Jahr an der Konsularakademie in Wien (ehemals Orientalische Akademie).  Die Orientalische Akademie war eine von Maria Theresia 1754 gegründete Hochschule für die Ausbildung von Diplomaten der Habsburger Monarchie, die noch heute unter dem Namen Diplomatische Akademie besteht. Es handelt sich um eine geschätzte Bildungseinrichtung mit einer reichen Geschichte, die Akademie war eine der ersten Diplomatenschulen auf unserem Kontinent.

Seine Eltern, Alois und Henriette Hrdlička, beauftragten das Büro Pupp und Škarka mit der Gestaltung eines majestätischen Familiengrabs, das von der Skulptur „Muttertraum“ des akademischen Bildhauers František Rouse dominiert wird. Die Skulptur aus weißem Marmor stellt eine Mutter dar, die von der Trauer über den Tod ihres Sohnes gebrochen ist und von ihrem Mann getröstet wird. Die Mutter hält die Hand ihres Sohnes in Uniform. Der Engel, der hinter dem Sohn steht, öffnet bereits das Tor zur Ewigkeit. Das Grabmal wurde im Juni 1904 eingeweiht.

Die Figur des Alois Hrdlicka in der Skulptur mag frappierend an Kaiser Franz Joseph I. von Österreich erinnern, was in der Folge zur Entstehung von Legenden über die Gründe für die Darstellung des Kaisers führte. Diese beruhen jedoch nicht auf der Wahrheit, und nach der damaligen Gesetzgebung wäre eine solche Darstellung der Figur illegal gewesen.

Das Motiv des Soldaten ist wahrscheinlich auf die Uniform zurückzuführen, die Hans trägt. Zur Zeit von Hans´ Tod trugen unter anderem auch Schüler und Beamte Uniformen.

Laut der offiziellen Todesanzeige starb Hans am 25.5.1900 an einer Lungenentzündung, eine häufige Todesursache für junge Menschen. Nichts deutet auf einen Selbstmord eines jungen Mannes hin, und es gibt auch keine Belege dafür.

Todesanzeige von Hans Hrdlička - Todesursache Lungenentzündung, d.h. Entzündung - Pneumonie

„Sicherlich wird die Legende von der unglücklichen Liebe eines jungen Mannes weiterleben, aber ich denke, die traurige Geschichte ist auch ohne die kaiserlichen Insignien und Kartenschulden interessant“, meint Ladislav Kolačkovský, der die Geschichte 2017 für die Internetzeitung idnes.cz recherchiert hat.  

Quelle: https://kolackovsky.blog.idnes.cz

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